Qualität einer Nahlinse

Im Gegensatz zu einer Kompaktkamera besitzt eine Spiegelreflexkamera keinen Makromodus. Natürlich gibt es auch für Spiegelreflexkameras Makroobjektive. Diese sind jedoch recht teuer. Eine günstige und praktische Alternative sind Nahlinsen. Es gibt sie in der teuren Variante als Achromat oder in der Billigvariante im Paket mit mehreren einfachen Linsen in verschiedenen Stärken. Dieser Text behandelt die Billigvariante. Meistens beinhaltet ein Set Linsen in den Stärken +1, +2, +4.

Es gibt einen neuen Artikel, in dem weitere Objektive und eine Raynox DCR-250 getestet wurden.

In Foren ist oft zu lesen, dass diese einfache Nahlinsen große Nachteile haben und schlechte Ergebnisse liefern. Dabei stellt sich die Frage, wie diese Linsen mit den vorhandenen Objektiven zusammenarbeiten, wie stark die Vergrößerung ist und wie schlecht das Ergebnis wirklich ist.

Als ich bei Ebay einen Satz für 1€ ersteigert hatte, habe ich ihn mit meinen Objektiven für Nikon getestet.

Jeder Test beinhaltet zwei Teile. In Teil 1 wurde festgestellt, welche minimale Bildhöhe sich erreichen lässt und wie weit dabei das Objektiv vom Objekt entfernt ist. Die angegebenen Werte wurden nur ungefähr gemessen. Das betrifft insbesondere den Abstand, bei dem mit einer Toleranz von 0,5-1cm zu rechnen ist. Dieser Abstand wurde vom vorderen Ende der Linse bis zum Objekt gemessen. Da kein Stativ verwendet wurde, kommt es den Ungenauigkeiten. Diese sind jedoch akzeptabel, weil es hauptsächlich darum geht, einen Anhaltspunkt zu haben, wie nah man an seine Objekte heran muss.

Dieser Test wurde ohne Nahlinse, mit +2, mit +4 und mit der Kombination aus +2 und +4 (=+6) gemacht.

Im zweiten Teil wurden Testbilder erstellt. Dazu wurde eine Seite mit Ziffern fotografiert (Times New Roman 10 Punkt – ausgedruckt ist eine Ziffer ca 3mm hoch und 1,7mm breit). Der Abstand war dabei minimal – die Vergrößerung also maximal. Ein Bild wurde mit Blende 8 erstellt und ein Bild mit Blende 16. Dies sind durchaus übliche Blenden für Macros und bei dieser Tiefenschärfe kann es nicht passieren, dass durch Verkantung einige Teile der Seite mit Ziffern in den Unschärfebereich kommen. Als erstes wurde die +4 Nahlinse gewählt. Wenn damit gute Ergebnisse erzielt wurden, dann wurde zusätzlich noch die +2 Nahlinse aufgeschraubt, so dass +6 Dioptrien entstehen.

Die Ergebnisse werden als Ganzes in der Größe 320×213 dargestellt. In manchen Fällen lassen sich hier schon Unschärfen und CAs erkennen. Zur genauen Beurteilung werden daneben zwei 100% Ausschnitte abgebildet, jeweils vom Rand und von der Mitte. Hier sind vorhandene Bildfehler genau zu erkennen. Da man in dieser Größe weder ein Bild druckt, noch am Bildschirm betrachtet und sehr selten einen Abzug macht, wird das Bild noch in der Größe 1024×681 dargestellt, wenn die kleine Darstellung angeklickt wird. Damit bekommt man einen Eindruck davon, ob die Fehler bei einem Ausdruck noch so stark zu sehen sind.

Den Abschluss des Tests bilden einige Aufnahmen unter Alltagsbedingungen.


Nikon AF-S DX Zoom-Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 G ED II – Kitoptik

Messungen

Optik Brennweite Abstand Bildhöhe Massstab
+0 45mm 12cm 5,5cm 1:3,6
+2 45mm 9cm 4,4cm 1:2,9
+4 45mm 7cm 3,8cm 1:2,5
+6 45mm 5cm 3,2cm 1:2,1
+0 55mm 13cm 5cm 1:3,3
+2 55mm 9cm 3,7cm 1:2,4
+4 55mm 5cm 3cm 1:2
+6 55mm 4cm 2,7cm 1:1,8

Die Messungen zeigen, dass man durch den Einsatz einer Nahlinse schon eine brauchbare Vergrößerung von bis zu 1:1.8 erzielen kann. Allerdings muss man mit 4cm schon ziemlich nah an das Objekt.

Testbilder

Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 ohne Nahlinse 45 mm F8
45mm +0 F8
Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 ohne Nahlinse 45 mm F16
45mm +0 F16
Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 Nahlinse +4 45 mm F8
45mm +4 F8
Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 Nahlinse +4 45 mm F16
45mm +4 F16
Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 Nahlinse +6 45 mm F8
45mm +6 F8
Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 Nahlinse +6 45 mm F16
45mm +6 F16
55mm +0 F8
55mm +0 F16
55mm +4 F8
55mm +4 F16
55mm +6 F8
55mm +6 F16

Die Testbilder zeigen, dass das Objektiv bereits ohne Nahlinse Randunschärfen zeigt, die auch in der 1024×681 Darstellung schwach sichtbar sind. Durch weiteres Abblenden werden diese weniger. Das kommt der Arbeit mit Nahlinsen entgegen, weil hier wegen der kleinen Objekte eine kleine Blende notwendig ist, um genügend Tiefenschärfe zu erreichen.

Durch den Einsatz einer +4 Nahlinse werden die Unschärfen nur geringfügig verstärkt. Außerdem entstehen bei F16 leichte CAs im Randbereich, die aber in der 1024×681 Darstellung kaum auffallen. Wenn eine +2+4 Nahlinse verwendet wird, nehmen die Unschärfen und CAs am Rand zu. Sie sind – je nach Anspruch – gerade noch akzeptabel.

Das Verwenden von 45mm statt 55mm bringt keinen Qualitätsgewinn. Andere Brennweiten wurden nicht getestet, da hiermit der Massstab in einen Bereich gerät, der sich auch ohne Nahlinse erreichen lässt.

Das Objektiv kann mit einer +4 Nahlinse und 55mm verwendet werden. Wenn man Abstriche in der Qualität macht, dann ist auch in manchen Fällen die +2+4 Kombination noch möglich.


Nikon AF Nikkor 50mm/1.8 D – Festbrennweite

Messungen

Optik Brennweite Abstand Bildhöhe Massstab
+0 50mm 32cm 10cm 1:6,6
+2 50mm 20cm 6cm 1:4
+4 50mm 13cm 4,25cm 1:2,8
+6 50mm 10cm 3,6cm 1:2,4

Mit diesem Objektiv lassen sich nicht ganz so gute Vergrößerungen erzielen, wie mit dem vorherigen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es wesentlich schneller geht, eine Nahlinse anzubringen, als ein Objektiv zu wechseln. Außerdem ist das Objektiv interessant, weil es eine gute Schärfe und wenig Verzeichnung besitzt.

Testbilder

Nikkor 50mm/1.8 D ohne Nahlinse F8
50mm +0 F8
Nikkor 50mm/1.8 D ohne Nahlinse F16
50mm +0 F16
Nikkor 50mm/1.8 D mit Nahlinse +4 F8
50mm +4 F8
Nikkor 50mm/1.8 D mit Nahlinse +4 F16
50mm +4 F16
Nikkor 50mm/1.8 D mit Nahlinse +6 F8
50mm +6 F8
Nikkor 50mm/1.8 D mit Nahlinse +6 F16
50mm +6 F16

Die Testbilder zeigen, dass das Objektiv ohne Nahlinse schon bei Blende F8 eine gute Schärfe im gesamten Bildbereich liefert. Blende F16 bringt nur eine minimale Verbesserung.

Mit einer +4 Nahlinse entstehen leichte Randunschärfen und CAs am Rand, die aber in der 1024×681 Darstellung so gut wie nicht sichtbar sind. Mit der +6 Kombination steigen die CAs und Unschärfen am Rand. Trotzdem ist die Darstellung mit 1024×681 noch akzeptabel.

Das Objektiv kann daher mit einer +4 und mit der +2+4 Kombination verwendet werden.


Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD – Telezoom

Messungen

Optik Brennweite Abstand Bildhöhe Massstab
+4 55mm 20cm 4,5cm 1:3,0
+4 75mm 19cm 3,0cm 1:2
+4 100mm 18cm 2,5cm 1:1,6

Mit diesem Objektiv lassen sich bereits bei halber Brennweite und +4 Nahlinse Vergrößerungen von 1:1,6 machen. Warum die +4 nicht mit vollen 200mm getestet wurde und warum die +2+4 Nahlinse nicht verwendet wurde, zeigen die folgenden Testbilder.

Testbilder

Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 100mm ohne Nahlinse F8
100mm +0 F8
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 100mm ohne Nahlinse F16
100mm +0 F16
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 55mm mit Nahlinse +4 F8
55mm +4 F8
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 55mm mit Nahlinse +4 F16
55mm +4 F16
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 75mm mit Nahlinse +4 F8
75mm +4 F8
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 75mm mit Nahlinse +4 F16
75mm +4 F16
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 100mm mit Nahlinse +4 F8
100mm +4 F8
Tamron AF 55-200mm F/4-5.6 Di II LD 100mm mit Nahlinse +4 F16
100mm +4 F16

Das Objektiv liefert ohne Nahlinse mit 100mm scharfe Bilder. Im Randbereich lässt die Schärfe etwas nach und ganz leichte CAs sind erkennbar. In der 1024×681 ist nichts mehr davon zu sehen.

Durch den Einsatz einer +4 Nahlinse entstehen allerdings starke CAs und Unschärfen im Randbereich. Diese sind sogar schon in der 320×213 Darstellung zu sehen. Beim Verringern der Brennweite auf 75mm lassen die Randunschärfen etwas nach – gerade bei Blende F16. In der 1024×681 sind sie jedoch immer noch gut erkennbar. Außerdem sind die CAs sichtbar.

Erst das Herabsetzen der Brennweite auf 55mm bringt ein akzeptables Ergebnis. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht besser ist statt der Verwendung einer Nahlinse auf 200mm zu zoomen. Dabei beträgt der Massstab zwar nur 1:3,5 statt 1:3, jedoch ist die Bildqualität besser.

Für dieses Objektiv ist der Einsatz einer Nahlinse nicht empfehlenswert. Auf den Test mit +2+4 Nahlinse und den Test mit größeren Brennweiten wurde deshalb verzichtet.


Kompaktkamera Canon Powershot A630

Messungen

Optik Brennweite Abstand Bildhöhe
+0 36mm 1cm 2cm
+2 140mm 18cm 4cm
+4 140mm 14cm 3cm
+6 140mm 11cm 2,5cm

Bemerkungen

Der Einsatz einer Nahlinse bei 36mm bringt keine Verbesserung. Es wurden keine Fotos gemacht, weil kein Adapter zur Verfügung stand. Die Nahlinse wurde lediglich vor die Kamera gehalten. Das Ganze diente zum Test, ob der Einsatz einer Nahlinse Vorteile gegenüber dem normalen Macromodus hat und ob die Anschaffung eines Adapters sich lohnt.


Beispiele

Die folgenden Beispiele wurden alle mit einer +4 Nahlinse und dem Nikkor 50mm/1.8 D oder dem Nikkor 18-55mm/3.5-5.6 G ED II aufgenommen.

Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse
Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse
Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse Beispielbild Nahlinse

Fazit

Die billigen Nahlinsen sind wohl besser als ihr Ruf. Die Qualität hängt maßgeblich vom verwendeten Objektiv ab. Wenn dieses bereits Randunschärfen ohne Nahlinse darstellt, dann werden diese mit Nahlinse leicht verstärkt. Außerdem treten CAs am Rand auf, die jedoch oft nur in der 100% Darstellung sichtbar sind. Wenn das Objektiv jedoch eine scharfe Darstellung liefert, dann können sogar zwei Nahlinsen in Kombination verwendet werden.

Große Probleme treten bei größeren Brennweiten als 55 auf. Hier nehmen CAs und Randunschärfen stark zu. Ob das auch bei anderen Objektiven so ist und ob das mit teueren Nahlinsen (Achromaten) besser ist, bleibt offen, da ich beides nicht zum Test zur Verfügung habe.

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